RUTA CUARENTA
Was die Ruta Tres (3) im Osten Argentiniens an der Atlantikküste ist, ist die Ruta Cuarenta (40) im Westen des Landes. Beide durchziehen das Land im Nord-Süd-Verlauf, mit dem Unterschied, dass die Ruta 3 überwiegend asphaltiert ist und sich die Ruta 40 als Schotterpiste präsentiert! Zumindest in dem knapp 600 km langen Teilstück, welches wir von Tres Lagos kommend bis zum Lago Buenos Aires befahren haben.
Die Piste verläuft im Regenschatten der Andenkette und führt deshalb durch ein sehr trockenes, weitgehend gleichförmiges Steppengebiet, in dem nur niedrige Sträucher und Büschelgräser wachsen können. Und natürlich auch aufgrund des ständigen patagonischen Windes ist höheres und größeres Wachstum kaum möglich. Ab und zu wird das flache Landschaftsbild durch kleinere Mittelgebirgszüge unterbrochen und obwohl sich das scheinbar langweilig anhört, hat uns die Strecke irgendwie beeindruckt. Denn gerade die Pflanzen und die Tiere (z.B. Guanakos, Nandus, patagonischer Hase), die dort überleben können zählen für uns zu den „Mutigsten“. Ist doch irre, wie sich die Natur anpasst! So gab es immer neue Pflanzen zu entdecken und teilweise präsentierten sich die schönsten Blumenkissen rechts und links der Piste. Vereinzelte Hinweisschilder auf Estancias verrieten uns, dass diese Gegend sogar bewohnt ist, wenn auch sehr, sehr wenig. Laut Reiseführer hat in der gesamten Region Santa Cruz jeder Einwohner 1,5 km² Platz, wobei das Landesinnere fast menschenleer ist. (Die Region ist die zweitgrößte und am dünnsten besiedelte Provinz Argentiniens. Sie hat die Größe der alten Bundesrepublik Deutschland und etwa 160.000 Menschen leben dort.)
Wir sind auf der Schotterpiste gut vorwärts gekommen und mussten nur einmal einen kurzen Reparaturstopp einlegen. Am Morgen hatten wir uns beim Verlassen unseres Schlafplatzes abseits der Piste den Tankschutz an einem größeren Stein locker gefahren. Richtig locker war er eigentlich nicht, doch das Gerüttel und Geschüttel auf der Piste hat ihm den Rest gegeben. Mit Hilfe eines Gurtes und Draht, welches wir von einem kaputten Zaunstück aufgelesen hatten, war er schnell wieder fixiert und die Piste konnte ihm nichts mehr anhaben!
Ein weiteres Ziel hatten wir mit den Cuevas de las Manos („Höhle der Hände“) erreicht. Für eine Führung am Abend war es zu spät und so verbrachten wir die Nacht in der Nähe der Höhlen in einem tollen Canyon, in dessen Tal sich der Rio Pinturas wie eine grüne Oase schlängelte.
Am nächsten Morgen bekamen wir eine Privatführung und erfuhren, dass die zahlreichen, von indianischen Ureinwohnern hinterlassenen Malereien zu den ältesten menschlichen Zeugnissen Südamerikas gehören. Die einzelnen Epochen können aufgrund der Motive unterschieden werden und so datiert man die ersten Jagdszenen auf ca. 9500 v. Chr.. Guanakos und Gruppen von Jägern in rot, ocker, violett und schwarz sind zu sehen, wie auch Handnegativdrucke aus einer späteren Epoche.
Beim Verlassen des Gebietes waren auch wir davon überzeugt, dass die Malereien nicht vom Tourismusbüro in Auftrag gegeben wurden (Scherz!) und fühlten uns noch mehr bestätigt, als wir die Aufnahme zum Unesco-Welkulturerbe auf einem Schild sahen!
Eigentlich hätten wir uns an dieser Stelle der Weiterfahrt nach Chile entweder für den Weg über den Paso Roballo entscheiden müssen oder alternativ dazu für die Strecke entlang des Lago Buenos Aires, wie der See auf argentinischer Seite heißt und auf chilenischer Lago General Carrera. Beide gelten als schöne Routen, die sich laut unserer Karte aber nicht vereinbaren ließen, bzw. so fahren ließen, dass man beide Varianten sehen könnte. Zum Glück hatten Michi und Renate von einem Argentinier eine Route erfahren, die sie an uns weitergaben und die wir schließlich auch fuhren. Zunächst ging es in Richtung des Paso Roballo, doch anstatt über die Grenzstation nach Chile einzureisen, sind wir „rechts“ abgebogen und eine kleine Piste entlang der argentinisch-chilenischen Grenze (über einen 1400 Meter hohen Pass) zum Lago Buenos Aires gefahren. Bauarbeiter auf der Strecke erzählten uns, dass die entscheidende Brücke erst vor einem Jahr wieder aufgebaut wurde. Welch ein Glück für uns, denn so sahen wir vom türkisblauen See über grüne Wiesenlandschaft bis hin zu bizarren Felsformationen zahlreiche Variationen der Natur und übernachteten schließlich am Ende einer tollen Tour an einem Fluss kurz vor Los Antigos, wo am Abend zu allem Romantik-Überschuß auch noch ein Gaucho mit Pferd und Hund vorbei kam!